The King Is Gone

Tröööt. Die Revolution bricht los, die „Hochzeitskapelle“ spielt Blasmusik, der letzte König ist traurig und packt seine Zigarren. Irgendjemand singt die Internationale. Und Karl Marx bekommt plötzlich doch recht: „Die letzte Phase einer weltgeschichtlichen Phase ist ihre Komödie.“

Die wichtigste Quelle des Hörspiels ist ein obskures braunes Heftchen eines gewissen Josef Benno Sailer, das 1919 – kurz nach der Räterevolution in München – erschien und von Carl-Ludwig Reichert in Erinnerung gebracht worden ist (Herbert Kapfer / Carl-Ludwig Reichert: Umsturz in München. Schriftsteller erzählen die Räterepublik. München: Weismann 1988). Sailer schildert dem Volk minutiös „Des Bayernkönigs Revolutionstage“. Bei einem Spaziergang im Englischen Garten wird der letzte bayerische König Ludwig III. von einem freundlichen Untertan darauf aufmerksam gemacht, dass Revolution sei: Der König möge sich lieber auf die Flucht vor der Räterepublik begeben. So nimmt die Komödie ihren Lauf: Das königliche Automobil im Marstall ist noch aufgebockt. Die Straßen Münchens sind mit Revolutionären verstopft. Die Reise endet wiederholt im Straßengraben. Die Prinzessinnen auf dem Rücksitz sind hungrig. Nacht und Nebel brechen ein. Nirgends ist ein Hemd mit der richtigen Kragenweite aufzutreiben.

Andreas Ammers dokumentarisches Hörspiel „The King is Gone“ verbindet revolutionäre Praxis mit der Perspektive der Klatschpresse. Es schildert Weltgeschichte als Roadmovie. Und es klingt, als hätten die beiden Brüder Acher von The Notwist, um die Flucht des bayerischen Königs zu vertonen, eine All-Star-Blaskapelle um sich geschart ... was dann – so wie alles in diesem Hörstück – komisch klingen kann, aber in Gestalt der „Hochzeitskapelle“ Tatsache ist. Noch einmal Marx: „Warum dieser Gang der Geschichte? Damit die Menschheit heiter von ihrer Vergangenheit scheide.“


Tracks
01 00‘00 Mobilmachung
02 03‘13 „Titelblatt“ (Josef Benno Sailer)
03 06‘55 Millibauer
04 08‘27 Majestät, schaug‘n S daß hoamkumma!
05 13‘33 „He was the King“ (Neil Young)
06 15‘23 Die Flucht beginnt
07 17‘42 Hab ich denn gar Niemand?
08 23‘40 Dynastische Werbepause
09 26‘01 Die Flucht beginnt wirklich
10 33‘53 Der heldenhafte Tiefenthaler
11 37‘17 Schlaf auf der Flucht
12 38‘15 Der königliche Einkaufszettel
13 40‘48 Die Flucht geht weiter
14 42‘47 Der König weint auf dem Schloss
15 45‘23 736 Jahre
16 48‘45 „It was on the 9th Day of November“ (Temptations)
17 50‘56 Gang der Geschichte
18 52‘45 „Gesang der Völker“ (Kurt Eisner)


Die Mitwirkenden:
König: Friedrich Ani
Prinzessin: Eva Löbau
Prinzessin: Judith Huber
Fahrer Tiefenthaler: Wowo Habdank

Die Hochzeitskapelle:
Evi Keglmaier: Bratsche und Kinderklavier
Mathias Götz: Posaune, Percussion und Glockenspiel
Alex Haas: Banjo, Kontrabass und Harmonium
Micha Acher: Tuba und Orgel
Markus Acher: Schlagzeug und Marimba

Ton und Technik: Nico Sierig, Cico Beck
Mastering: Jörg Siegeler
Skript und Realisation: Andreas Ammer
Komposition: Markus Acher / Micha Acher (05: Neil Young, 16: Temptations)

Redaktion: Herbert Kapfer
Produktion: Bayerischer Rundfunk / Hörspiel und Medienkunst 2015

The King Is Gone

Markus Acher
Micha Acher
Andreas Ammer
The King Is Gone
Des Bayernkönigs Revolutionstage
intermedium 65
Nach einem zeitgenössischen Text von Josef Benno Sailer
4 Seiten, Digipak
Laufzeit: 52:45 Min.
erschienen im Oktober 2015
ISBN 978-3-943157-65-9
€ 15,00