»... the whole thing’s coming out of the dark«

Idee und Konzeption: Klaus Buhlert, Gaby Hartel
Regie: Klaus Buhlert
Stimmen: Raymond Federman, Barry McGovern, Natasha Parry
Helicon, Trombone, Slide Trumpet: Uwe Dierksen
Produktion: BR Hörspiel und Medienkunst/ORF/DLR/Kunsthalle Wien/ZKM Karlsruhe

Wichtige Texte (Molloy, Company, L’Image) von Beckett über Bewegungsvorgänge in englischer Originalsprache. Mit den berühmten Schauspielern des Beckett’schen Werks Barry McGovern und Natasha Parry, dem Beckett-Forscher und Autor Raymond Federman sowie dem Musiker Uwe Dierksen vom Ensemble Modern.

»...the whole things’s coming out of the dark«, diesen Hinweis über Herkunft und Qualität seiner Radiostücke, insbesondere All That Fall, gab Samuel Beckett in einem Brief aus dem Jahre 1957 seinem amerikanischen Verleger. Und genau 43 Jahre später wird nach einer Konzeption Klaus Buhlerts diese Beschreibung zum Thema einer Produktion des intermedium Labels mit ausgewählten Texten von Samuel Beckett: »the whole thing’s coming out of the dark« Samuel Beckett – words/sounds & moving images.

Die Aufnahmen dieser Produktion dokumentieren auf eindrucksvolle Weise Becketts »visuelles Schreiben«, denn im Vordergrund bei der Textauswahl für diese CD (die auch Grundlage einer später in der Kunsthalle Wien aufgeführten audio-visuellen Performance wird) standen die sogenannten »eye pieces« des Autors sowie einige seiner Beobachtungs- und Bewegungsskizzen: Molloy (1951), l’image/the image (1959) und Company (1980) – drei Texte aus jeweils unterschiedlichen Lebensphasen des irischen Autors und Literatur-Nobelpreisträgers. Gelesen von der Schauspielerin Natasha Parry und dem Schauspieler Barry McGovern sowie dem amerikanischen Autor und Beckett-Kenner Raymond Federman.

Drei Spielanweisungen für den Instrumentalisten auf dieser CD (Uwe Dierksen) leiten sich in direkter Weise von der sogenannten sucking-stones-Sequenz des Beckett-Romans Molloy ab, wo der Autor seinen Protagonisten drei Variationen zum korrekten Lutschen von 16 Kieselsteinen – verteilt auf zwei Mantel- bzw. Hosentaschen – erfinden läßt.

...out of the dark
»Nichts ist realer als das Nichts« (Beckett). Von Stimmen durchzogene Räume, die manchmal beengend sind wie die Zimmer, in denen Becketts Figuren sich wiederfinden, oder auch verlieren. Sie sind weit und undefiniert - »too vast for search to be in vain« - wie die abgedunkelten Theaterräume, wo nur noch sprechende, artikulierende Münder zu sehen sind. In jedem Fall aber evozieren Becketts Texte verstörende visuelle Bildräume. Für das Hörspiel »...the whole thing’s coming out of the dark« hat Klaus Buhlert unter Mitarbeit von Gaby Hartel Textpassagen aus Becketts l’image/the image, Molloy und Company ausgewählt und zu einem tönenden, sprachdurchfluteten Klangraum miteinander verbunden, in dem die Musik des Posaunisten Uwe Dierksen mal Kommentar, mal Konturgeber ist.

»Becketts Stücke haben die Eigenart von Panzerwagen und Idioten«, schrieb der Regisseur Peter Brook einmal, »man kann sie beschießen, man kann sie mit Crèmetorten bewerfen: sie setzen ihren Weg gelassen fort. Von anderen erstaunlichen Vorzügen abgesehen, sind sie immun gegen Kritiker. Beckett verärgert die Leute stets durch seine Ehrlichkeit. Er fabriziert Objekte. Er führt sie uns vor. Was er vorführt, ist furchtbar. Weil es furchtbar ist, ist es auch komisch.«

Samuel Becketts verstörende, bittere Komik sucht sich in »...the whole thing’s coming out of the dark« ihren Ort im Körper der Sprechenden, der Beschriebenen (eine Unterscheidung, die im Grunde falsch ist). Molloys Zwangshandlungen, um seine Bewegungen zu systematisieren, wirken grotesk wie eine sich maschinenhaft verselbständigende Marionette. Wo der Sinn nicht mehr greifbar ist, triumphiert die einfache Repetition. Es bleiben Worte, deren Bedeutung sich aus dem Staub gemacht hat.

In Company, einem der für dieses Hörstück verwendeten Textes, heißt es gleich zu Anfang: »But by far the greater part of what is said cannot be verified.« (Nur ein geringer Teil des Gesagten kann überprüft werden). Was bleibt, sind Rituale der Sprache und des Sprechens, Exorzismus des Sinns und zugleich dessen Beschwörung. »In der langen Tollheit des Körpers hängt alles zusammen,« heißt es im Text Molloy. Becketts Protagonistenkörper lösen sich im Lauf der Zeit langsam auf. Gliedmaßen verschwinden, zuerst noch als Verlust wahrnehmbar, später dann finden wir die Selbstverständlichkeit eines auf einen bloßen, ewig plappernden Mund reduzierte Frau - wie in Not I. Dieser Schwund der Gliedmaßen und Organe, schreibt Eva, sei eine Art Stigmatisierung, das äußere Anzeichen dafür, dass der Mensch vom Nichts berührt worden ist. Der allmähliche Verfall des Körpers beginne, »wenn der Mensch zunehmend unfähig wird, sich durch den Raum zu bewegen. An der Gehbehinderung erkennen wir bei Beckett seine Gezeichneten, seine Helden.« Diese Räume liegen im Dunkeln. In einer Art Selbstisolation. Jenseits von Zeit, außerhalb einer empirisch abgesicherten Wirklichkeit. Dort im Dunkeln, dieser Chiffre für das Gestaltlose, für den Ursprung und Fluchtpunkt des Körpers, erstehen die imaginären Bilder und Landschaften aus dem anhaltenden Sprachfluss der Figuren.

Alles spielt sich im Innern des Kopfes ab, und doch finden diese bildprovozierenden Sprechrituale ihren Weg nach außen. Alles wird zum Projektionsraum für den Hörer. Wir blicken auf den Sprechenden wie auf ein geöffnetes, bloßgelegtes Inneres. Die Sprache ist ihr eigenes Sezierinstrument. Existenz ist in die Sprache verlegt, das Sein seiner Zeit entrissen. Es bleiben die Bilder, es bleibt der Klang der Sprache, in dem das Geheimnis einer ganzen Welt verborgen liegt.

words
Samuel Barclay Beckett (1906-1989) studierte am Trinity College in Dublin Französisch, Italienisch und Neuere Literatur. Als Student soll er durch seinen sportlichen Ehrgeiz - als Boxer, Kricketspieler und Motorradfahrer von sich reden gemacht haben. von 1928 - 1930 war er Englisch-Lektor in Paris, dort gehörte er dem Kreis um James Joyce an. Ab 1929 veröffentlichte er in Paris erste eigene literarische Beiträge. Nach Aufenthalten in verschiedenen Ländern lebte er ab 1937 wieder in Paris, wo er sich später der Résistance zur Verfügung stellte. 1942 musste er fliehen. Beckett schrieb zunächst Englisch und übersetzte dann selbst ins Französische. Später verweigerte er sich - »um mich noch ärmer zu machen« - seiner Muttersprache und schrieb seine Werke erst in Französisch, bevor er sie ins Englische übertrug. Berühmtheit erlangte Beckett mit dem Theaterstück Warten auf Godot (1953). Er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. der Médaille de la Résistance (1945), dem Nobelpreis für Literatur (1969). Hörspiele: All That Fall (1957), Embers (1959), Words And Music (1963), Cascando (1963), Radio II (1976).

sounds
Klaus Buhlert, geboren 1950. Studium: Musik, Akustik und Informatik. 1980/81 Arbeiten am Massachusetts Institute of Technology/Cambridge (USA) in musikalischer Akustik sowie am Computer Music Studio des MIT, segelt 1981/82 20.000 Seemeilen auf dem Atlantik, 1983/86 Gastprofessur für Computer-Musik an der TU Berlin, Lehrtätigkeit an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin, seit 1986 Aufbau eines eigenen Produktions-Studios. Arbeit als freier Komponist und seit 1994 auch als Regisseur in Berlin. In über 60 Theater- und Hörspielkompositionen langjährige Zusammenarbeit mit George Tabori. Hörspiele u.a. Meine Lieder singt man nicht (1992), Hotels (mit Raoul Schrott 1995), Finis Terrae (mit Raoul Schrott 1996), Assault/Anschlag (1996), Der Irre und der Blinde (1997). Zahlreiche Auszeichnungen, darunter mehrmals Hörspiel des Jahres vergeben von der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste.

www.intermedium-rec.com

»... the whole thing’s coming out of the dark«

Samuel Beckett
Klaus Buhlert
»... the whole thing’s coming out of the dark«
words/sounds & moving images
intermedium 1
Wenige Restexemplare
8 Seiten, Digipak
CD
erschienen 2000
ISBN 978-3-939444-02-2
€ 20,00