Unterwegs

Bekannt wurde der französische Schriftsteller Joris-Karl Huysmans (1848–1907) in Deutschland vor allem durch seine Romane À rebours (Gegen den Strich, 1884) und Là-bas (Tief unten, 1891) bekannt. À rebours gilt als eines der wichtigsten Zeugnisse der literarischen Dekadenz des Fin de siècle, sein Protagonist, der dem ästhetizismus verfallene Dandy Jean des Esseintes, als Inbegriff des »décadent«. In Là-bas wandelt der Schriftsteller Durtal, fasziniert von Satanismus und schwarzer Magie, auf den Spuren des Kinderschlächters Gilles de Rais, der wegen seiner zahllosen Verbrechen und blutrünstigen magischen Rituale im 15. Jahrhundert verbrannt wurde. In beiden Romanen ist allerdings auch schon der Keim angelegt für Huysmans’ Hinwendung zum Glauben, der 1892 in die Konversion zum Katholizismus, mehrfache Klosteraufenthalte und, ab 1900, im Leben als Oblate mündet.

Seine Hinwendung zum Katholizismus hat Huysmans in der Trilogie des Glaubens: En route (1895), La Cathédrale (1898) und L’Oblat (1903) literarisch verarbeitet, in der er sein jahrelanges, von immer neuen Zweifeln erfülltes Ringen um den Glauben beschreibt. Wiederum wird Durtal zu seinem alter ego, der die Stationen dieser spirituellen Autobiographie noch einmal stellvertretend durchlebt. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Kunst, in La Cathédrale insbesondere die Architektur am Beispiel der Kathedrale von Chartres, in En route die Sakralmusik in Form des Cantus planus und des Gregorianischen Gesangs:

»Letztlich war Durtal durch die Kunst zur Religion zurückgeführt worden. Mehr als sein Lebensekel war die Kunst der Magnet gewesen, der ihn unwiderstehlich zu Gott hingezogen hatte. An dem Tag, an welchem er aus Neugier, um die Zeit totzuschlagen, in die Kirche gegangen war und dort nach so vielen Jahren des Vergessens die Teile der Totenvesper schwer hatte herabfallen hören, während die Chorsänger sich abgewechselt und einer nach dem anderen wie Totengräber die Verse geschaufelt hatten, war seine Seele zutiefst erschüttert worden.« Und trotzdem: »[...] beten? Ich habe nicht das Verlangen danach; der Katholizismus lässt mir keine Ruhe, benebelt von seinen Weihrauchschwaden und seinem Kerzenduft, schleiche ich um ihn herum, zu Tränen gerührt von seinen Psalmodien und Gesängen. Mein Leben ekelt mich an, ich bin meiner überdrüssig, aber deswegen ein neues Leben zu führen ist doch ein großer Schritt!«

In Deutschland ist diese Trilogie kaum zur Kenntnis genommen worden. Das mag an der sehr katholischen Thematik liegen. Dennoch geht von diesen Romanen eine große, nicht zuletzt auch sprachliche Faszination aus. Während es von L’Oblat bis heute keine deutsche Übersetzung gibt, wurde La Cathédrale, der bekannteste Roman der Trilogie 1923 von Hedda Eulenburg ins Deutsche übersetzt und 1990, gründlich überarbeitet von Susanne Farin, erneut veröffentlicht. En route wurde 1910 von dem Theologen Albert Sleumer unter dem Titel Vom Freidenkertum zum Katholizismus übersetzt, allerdings mehr in Form einer recht freien Paraphrase, manches auch zusammenfassend, und mit zahllosen Auslassungen, die von einzelnen Sätzen und Absätzen bis hin zu längeren Passagen von bis zu zwei Seiten reichen (insgesamt fehlt etwa ein Viertel des Textes). Es ist daher überfällig, diesen Roman endlich in einer erstmals vollständigen Neuübersetzung vorzulegen.


Weitere Bücher von Joris-Karl Huysmans
im belleville Verlag:

Unterwegs

Joris-Karl Huysmans
Unterwegs
Hrsg. von Michael Farin und Michael von Killisch-Horn
Aus dem Französischen übersetzt von Michael von Killisch-Horn
655 Seiten, gebunden
53 Fotos und Abbildungen
erschienen im Januar 2019
ISBN 978-3-943157-92-5
€ 39,80