Amok

Wollte man versuchen, eine Rangfolge krimineller Taten nach ihrem publizistischen Erfolg aufzustellen, so dürfte der Mord Abonnent auf einem der vorderen Plätze sein. Unter den Morden ragen wiederum die heraus, die besonders viele Opfer betreffen, fremdartig oder sadistisch anmuten, und solche, die zur Identifikation mit dem Opfer einladen. Amokläufe erfüllen diese Kriterien regelmäßig und sind so für die Medien das Ereignis schlechthin.
Dabei stellt sich der Amoklauf zunächst regelmäßig als eine aus dem Nichts heraus entstehende Gewalt dar, bei der der Täter plötzlich mit einem weitgehend wahllosen Toten beginnt und schließlich im Feuerhagel von Spezialkommandos der Polizei oder durch Selbsttötung bzw. Selbstverletzung endet. Die sich daran anschließenden Recherchen führen nicht selten zu Ergebnissen, die auf schwerwiegende Persönlichkeitsauffälligkeiten des Täters hinweisen, während die Motive eher banal wirken und in keinem Verhältnis zur Tat stehen.

Amok, von malaiisch amoku, bedeutet so viel. wie »rasend und wütend« und bezeichnet ein Verhalten mit langer kultureller Vorgeschichte. Aus einer kriegerischen Taktik heraus entwickelte sich im malaiischen Sprachraum ein Konfliktverhalten, das kulturell als eine Art letzter Ausweg akzeptiert wurde.

Es lassen sich vier Phasen unterscheiden:
1. Eine Kränkungen, Objektverlusten u.ä. nachfolgende Phase des intensiven Grübelns mit Isolation von der Umwelt.
2. Ein plötzlicher, unvorhersehbarer und gezielter Angriff mit rücksichtsloser Tötungsbereitschaft. Nicht selten beginnt der Amoklauf mehr oder minder gezielt bei Verwandten oder Bekannten und weitet sich dann wahllos auf Unbeteiligte bzw. Fremde aus.
3. Eine anhaltende, ungesteuerte, mörderische Raserei, bis der Amokläufer entweder durch Fremd- oder Eigeneinwirkung getötet, kampfunfähig, verletzt bzw. überwältigt wird. Aus neuerer Zeit berichtet Teoh (1972), daß von 120 Amokläufern 85 inhaftiert, 10 getötet und 19 durch Suizid endeten.
4. Die überlebenden Täter geben typischerweise vor, keine Motive gehabt zu haben und sich an ihre Tat nicht erinnern zu können.

Die Untersuchung von Lothar Adler befaßt sich mit 196 in Zeitungen mit Amok bezeichneten Gewalttaten, die unabhängig von soziokulturellen Hintergründen in etwa dem grob skizzierten Verlauf und Schweregrad des klassischen Amok entsprechen und basiert auf kontentanalytischen Untersuchungen von Zeitungsartikeln. Das Interesse liegt dabei vornehmlich bei einer Bestandsaufnahme des publizierten Phänomens Amoklauf unter soziologischen, kriminologischen und forensisch-psychiatrischen Gesichtspunkten.

Amok

Lothar Adler
Amok
Eine Studie
Splitter 22
125 Seiten, broschiert
erschienen 2000
ISBN 978-3-923646-86-9
€ 17,00