Flucht Punkt Kunst

»Die ökonomischen Systeme der post-kapitalistischen Gesellschaft formen sich dramatisch um und verlangen Flexibilisierung in allen Lebensbereichen. Damit werden tradierte Werte, Wertsicherungen, soziale und gesellschaftliche Konstruktionen nicht nur in Frage gestellt, sondern tatsächlich aufgehoben.
Überbevölkerung auf der einen, Überalterung auf der anderen Seite verändern drastisch Raumaufteilungskonzepte. Städte verschwinden oder schrumpfen, während urbane Strukturen in ihrer zentristischen Grundform zu Durchgangslagern mutieren. Die weltweite Migration, bedingt durch die Globalisierung des Arbeitsmarktes, bedient diese Veränderung. Das klassische Bürgertum, prinzipiell seßhaft und bestimmend für die kulturelle Entwicklung einer Stadt/Gesellschaft, stirbt aus. Ersetzt wird es durch mobile Einsatzkommandos aus Produktivkräften, die in kurzer Zeit eine Stadt nutzen und dann wieder verschwinden. Der Einzelne ist überall, Ubiquität das Desiderat der vernetzten Welt. Effektivität ist der Motor und Oberflächenbearbeitung die einzige Möglichkeit, dem allgemeinen Kosten/Nutzen-Denken Rechnung zu tragen. Kunst als Bestandteil einer urbanen Situation hingegen erwartet und fordert Kontinuität ? sie ist ein langwieriger Prozess, der »Zeit« braucht. Sie braucht auch ein vis-à-vis, das Zeit hat, sich Zeit nimmt und verstärkt die ihm angebotene Auseinandersetzung als Teil seines Alltags und der Bewältigung dieses Alltags sieht. Die temporäre Ansammlung von »workgroups«, die ephemer ist, d.h. sich nur vorübergehend an einem Ort aufhält, wird ihre Identifikation nicht im prozesshaften, langwierigen künstlerischen Schaffen suchen. Sie ist angewiesen auf schnelle, vorübergehende Erfrischung, Irritation und Befriedigung.
All das läuft auf das Event hinaus und zielt damit haarscharf vorbei am Interesse und Anliegen der Kunst, die mit Erinnerung operiert, um Visionen zu entwickeln. Dazwischen liegt das Jetzt als kritisches Objekt der Wahrnehmung und der Wahrnehmungsdifferenzierung.« Elisabeth Schweeger

Mit Heiner Goebbels, Wanda Golonka, Nikolaus Hirsch, Peter Kroher, Vanessa Joan Müller, Elisabeth Schweeger, Susanne Traub und den Gästen Hartmut Häußermann, Thomas Hauschild, Klaus Heid, Heiko Idensen, Detlev B. Linke, Martina Löw, Jean Odermatt, Otto E. Rössler, Joseph Vogl.


Weitere Bücher von Elisabeth Schweeger (Hg.)
im belleville Verlag:

Flucht Punkt Kunst

Elisabeth Schweeger (Hg.)
Flucht Punkt Kunst

407 Seiten, broschiert
44 Abb., nebst Camera Obscura-Aufnahmen von Christof Leistl
erschienen 2006
ISBN 978-3-936298-41-3
€ 24,00